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 ALX im IHK-Magazin 10/2015
2015-10-29
Spagat zwischen Kundenansprüchen und Müllvermeidung

Quelle: https://www.giessen-friedberg.ihk.de/share/flip/Oktober2015/index.html#6 

Von Christiane Diekmann

Innovationsfähigkeit, Kreativität und schnelle Reaktion auf Marktveränderungen kennzeichnen erfolgreiche Unternehmen der Verpackungsindustrie. In Mittelhessen prägen flexible Mittelständler das Bild der Branche. Das Wirtschaftsmagazin hat drei sehr unterschiedlich aufgestellte Unternehmen befragt.

Jeder hat tagtäglich mit ihr zu tun. Wir schätzen sie als Schutz wertvoller Güter und sensibler Lebensmittel, und wir sind genervt, wenn sie das Produkt nicht schnell genug unserer Neugier oder unserem Heißhunger preisgibt. Und oftmals nehmen wir sie nur als Müll am Straßenrand wahr. Sie ist aus Papier, aus Pappe, aus Kunststoff. Sie kann hart und stabil oder hauchdünn und dehnbar sein. Bei Investitionsgütern umschließt sie schon mal eine komplette Palette oder ein riesiges Anlagenteil. Bei Konsumgütern muss sie vom Waschmittel bis zum Schokoriegel strenge Vorgaben des Verbraucherschutzes und der Markenartikler erfüllen.

Die Verpackung ist allgegenwärtig. Sie bewahrt den Anwender vor chemischen Produkten und schützt Wurst und Käse vor ungewolltem Kontakt mit dem Verbraucher. Kaum eine Ware kommt ohne sie aus. Bei manchen ist alleine sie es, die den Unterschied ausmacht. Die Verpackung schützt und informiert, sie transportiert wichtige Botschaften und setzt entscheidende Kaufanreize. „Verpackung ist Verheißung“, so der bulgarische Künstler Christo, der durch die Verhüllung von Natur und Architektur berühmt wurde. Dabei kennt die Verpackung in Form und Gestaltung kaum Grenzen. Und in Zeiten von „Track and Trace“ wird sie mittels Codierung jederzeit individualisierbar und nachverfolgbar.

So vielfältig wie die Verpackung selbst sind auch die Anforderungen an die Unternehmen der Verpackungsindustrie. Unterschiedliche Materialien verlangen unterschiedliche Fertigungsprozesse, und immer wieder kreative Ideen. Oft sind dies maßgeschneiderte und optimal auf das zu verpackende Produkt abgestimmte Lösungen. Flexibilität und Innovationsfähigkeit der Verpackungsbetriebe sind gefordert. Umso mehr, als in den letzten Jahren die Themen Nachhaltigkeit und Müllvermeidung wie in kaum einer anderen Branche in den Vordergrund gerückt sind. Seit 1991 regelt die deutsche Verpackungsverordnung, dass die Produktverantwortung und die Rücknahmepflicht beim Hersteller liegt, was den Innovationsdruck auf Verpackungshersteller weiter erhöht hat.


Krisensicher trotz Trend zur Müllvermeidung

Vor allem ressourcenschonende Materialien und Herstellungsverfahren sowie recycelbare Verpackungen sind gefragt. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an Optik und Haptik. Auch wenn die Themen „Verpackungsmüll“ und „Müllvermeidung“ die Diskussion bestimmen, bleibt die Verpackung ein Muss. Obwohl sie „nur“ Hülle ist „baut sie doch eine entscheidende Brücke vom Produkt zum Konsumenten“, so Thomas Reiner, Vorsitzender des Deutschen Verpakkungsinstituts, anlässlich der Abschlussveranstaltung des Verpackungsclusters Mittelhessen. Reiner sieht denn auch die größte Herausforderung für die Verpackungsbranche darin, innovationsfähig zu bleiben, sich in Märkte hineinzudenken, die Digitalisierung der Fertigungsprozesse voranzutreiben und durch Transparenz und Kommunikation das Image der Branche positiv zu gestalten. Gleichwohl prognostiziert Reiner weiterhin ein jährliches Wachstum von weltweit 5,6 Prozent. Die Verpakkungsbranche bleibt ein krisensicherer Wachstumsmarkt. Aber gilt das auch für den Standort Deutschland?


Verpackungscluster Mittelhessen wird aufgelöst

In Mittelhessen hat die Verpackungsindustrie eine lange Tradition und ist gut vernetzt. Die vornehmlich mittelständischen Unternehmen kennen sich, zumal viele von ihnen in den letzten Jahren im Rahmen des von Vogelsberg Consult GmbH initiierten und kofinanzierten Verpackungsclusters Mittelhessen kooperierten. Dessen Förderung durch das Land Hessen ist ausgelaufen, das Cluster aufgelöst.

Ziel des Verpackungsclusters war es, den in der Region Mittelhessen stark vertretenen Unternehmen der Branche eine gemeinsame Plattform zwecks Austausch und Vernetzung zu geben. Gemeinsam sollten Forschung und Entwicklung vorangetrieben, der Fachkräftenachwuchs gesichert, Ressourcen gebündelt und Synergieeffekte erzielt werden. Hier hat die Heterogenität der Mitgliedsunternehmen, ihre unterschiedliche Größe (vorrangig KMU) und ihre jeweils anderen Anforderungen insbesondere im Bereich F&E dazu geführt, dass die erhofften Synergien sich nicht wie gewünscht einstellten. Nach sechs Jahren Clusteraktivitäten hat man ein Maß an Gemeinsamkeit erreicht, das von den Mitgliedern als ausreichend empfunden wurde. Ein weiterer Bedarf nach Vernetzung und weiterem Austausch besteht derzeit nicht. Darüber hinaus stellt der Wegfall der Förderung (50 Prozent des Gesamtbudgets) die Weichen. Die Finanzierungslücke kann von den Mitgliedern nicht aufgefangen werden.


Positives Resümee nach sechs Jahren

Trotzdem fällt das Resümee nach sechs Jahren Clusteraktivitäten positiv aus: die Vernetzung zahlreicher Akteure verlief erfolgreich, neue Geschäftskontakte zwischen Unternehmen konnten initiiert und etabliert werden, für die Branche wichtige Themen, wie zum Beispiel Innovationsmanagement, F&E-Förderung, emissionsfreie Verpackungen, Energieeffizienz, Abfallmanagement, Design und Duales Studium rückten stärker in den Fokus. Wie man auch in Zukunft Fachkräfte gewinnen und Beschäftigung sichern kann, wurde intensiv beleuchtet. Impulse wurden durch die Gründung der Arbeitsgruppe Ausbildung unter anderem mit Gemeinschaftsständen auf der „Chance in Gießen“ und beim „Marktplatz Ausbildung“ in Alsfeld gesetzt. Dabei ist die mittelhessische Verpackungsbranche durch zahlreiche öffentliche Veranstaltungen und die Teilnahme an überregionalen Veranstaltungen wie der FachPack in Nürnberg oder den Hessischen Clusterkongressen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Kontakte zu Hochschulen, zu F&E-Einrichtungen und dem Systempartner für Innovation, der Transmit GmbH, wurden intensiviert. Kontakte und Impulse, die Spuren hinterlassen.


ALX: „Verpackung ist und bleibt spannend“

Auch Karsten Kehl, Mitglied der Geschäftsleitung bei ALX Metall in Herbstein, ist der Meinung, dass das Thema Verpackung spannend ist und bleibt. Er definiert die steigenden Ansprüche an Material und Produkt bei gleichzeitig steigendem Aufwand für Energie und Rohstoffe als aktuell größte Herausforderung für die Branche. Erst recht, wenn qualifiziertes Fachpersonal Mangelware ist. Kehl: „Verpackungen sind dann erfolgreich, wenn sie in ihrer Anwendung ‚smart‘ sind. Das heißt, wenn sie Vorteile haben, etwa durch besseres Handling oder durch gesteigerten Produktschutz. Verpackungen müssen Differenzierungspotenzial bieten. Das ist im Hinblick auf Markenbildung und Kaufentscheidung von Bedeutung.“ Wichtig, so Kehl, sei auch der ressourcenschonende Einsatz von Material und Energie. Hier sind Abnehmer zunehmend sensibilisiert. Das gelte für den B2B- und den B2C-Bereich gleichermaßen.

Als Anbieter speziell für den Food-Service sieht sich ALX gut aufgestellt. Die Siegelschalen und Menüboxen, in denen sich Gerichte und Menüs transportieren, warm halten und erhitzen lassen, kommen in vielen Anwendungsbereichen zum Einsatz. Sie sind in der professionellen Gastronomie bestens eingeführt und passen zur wachsenden Nachfrage nach Convenience-Food und Food-to-go.


Verpackung ist und bleibt Zukunftsbranche

Aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsfelder und Branchen, in denen sich die vier Verpackungsunternehmen bewegen, fällt auch das Fazit eher durchwachsen aus. Auf Verpackungen wird unsere Konsumgesellschaft auch in Zukunft nicht verzichten können. Gleichwohl wachsen die Bäume für die hier ansässige Verpackungsindustrie nicht in den Himmel. Der starke Preisdruck durch fortschreitende Globalisierung und Investitionen in teure Infrastruktur und Anlagentechnologie verhindern große Margen. Erschwerend kommt hinzu, dass gestiegene Preise für Rohstoffe vor dem Hintergrund des weltweiten Wettbewerbs nicht im gleichen Maße an die Kunden weitergegeben werden können.


Kommunikation als wichtiger Hebel

Es kommt darauf an, durch wirkungsvolle Kommunikation die Branche stärker in den Fokus des Kunden zu rücken, der sie in der Regel als notwendig, aber nicht als besonders wichtigen Baustein unserer Warenwelt wahrnimmt. Verpackung hat keine besonderen Imagewerte. Die Branche erscheint blass und unprofiliert, zumal der Verbraucher in der Regel nicht weiß, wer die von ihm genutzten Artikel verpackt hat. Neben Marktempathie und Innovationsfähigkeit bleibt die Kommunikation daher wichtiger Hebel, um die Aufmerksamkeit für die Leistungen der Verpackungsindustrie in der öffentlichen Wahrnehmung zu steigern und dem Image als Müllverursacher entgegenzutreten. Das lässt sich mit wenigen Argumenten wirksam entkräften. Schließlich schützt eine passende Verpackung Lebensmittel vor dem Verfall oder fragile Bauteile vor Transportschäden. Alleine dadurch ist und bleibt die Verpackung wichtiges Kriterium im Hinblick auf nachhaltiges Handeln. Die Branche erfordert Spezialwissen, ist aber der öffentlichen Wahrnehmung entsprechend bei Berufseinsteigern kaum erste Wahl. Die Ausbildungsberufe Packmitteltechnologe beziehungsweise Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik gilt es stärker zu bewerben, ebenso wie etwa den Hochschulstudiengang Verpackungstechnik.

Für KMUs in Mittelhessen sprechen aber auch in Zukunft wichtige Argumente: Flexibilität, Kreativität und kurze Time-to-Market. Dieses Profil gilt es, weiter zu schärfen.